Solarmodulpreis, der Sinn von Exceltabellen und Selbstüberschätzung
Wenn es einen Indikator in der Photovoltaik-Branche gibt, dann ist es der Preis. Alles dreht sich um den Preis der Solarmodule. Es ist die wichtigste Information, egal ob Hersteller oder Installateur, welcher sich zu einer wahren Besessenheit entwickeln kann. In den vergangenen Wochen konnte man wieder gut beobachten, wie der rapide Preisverfall zusammen mit den neusten Analystenberichten die nächste Runde im Kampf um den Modulpreis eingeläutete haben.Im Laufe der letzten Jahre wurde die Preisdiskussion so überwältigend, als wäre nichts anderes zu berücksichtigen. Einige werden in der kommenden Situation ihre Chance für ein gutes Geschäft wittern, aber was steckt wirklich dahinter? In seinem letzten Post, erinnert Finlay Colville zu Recht daran, dass die Reduzierung der Herstellungskosten ein verbreitete Möglichkeit ist, um der Marktpreisreduzierung zu begegnen. Die Unternehmen müssen um ihr Überleben kämpfen und treffen Entscheidungen, die vermutlich zu Lasten der Zuverlässigkeit der Produkte gehen.

Es beginnt vor gut zehn Jahren. Für diejenigen, die damals bereits in der Photovoltaik-Industrie tätig sind, fühlt es sich an wie in einem Traum. Alle Welt stiegt auf Solar um, das Geld fließt in Strömen, es gibt großzügige Subventionssysteme, Rekordrentabilitäten und der starke Wunsch noch mehr daran zu verdienen. Klingt wie der Goldrausch des 19. Jahrhunderts oder aktueller, die Finanzmarktblase die zerplatzte. Die industrielle Blase zerplatzte schließlich ebenso heftig und dutzende Unternehmen mit fehlerhaften Geschäftsmodellen, Finanzstruktur und Technologien, die Milliarden von Dollar von öffentlichen und privaten Investoren verschlungen hatten, mussten schließen. Die übriggebliebenen Unternehmen sehen sich starkem Preisrückgang, Margendruck und Konsolidierung ausgesetzt.

 

Excele-Rendite vs tatsächliche Rendite und was der Modulpreis nicht verrät
Italien war einer der größten PV- Märkte, bevor die großzügigen Subventionssummen gestoppt wurden, um den Markt zu beruhigen. Dies hatte zur Folge, dass die Installation neuer PV-Anlagen um mehrere Megawatt zurückging. Ein paar Jahre später beobachten wir in Italien nun einen Trend Namens “Revamping”. Warum? In den Boomjahren der Branche wurden möglichst viele Anlagen gebaut ohne auf die Qualität der Komponenten zu achten. Mittlerweile erreicht ein Großteil der damals installierten Anlagen ihre errechneten Werte nicht, sodass die Investoren und Eigentümer vor einem Problem stehen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Was ist mit dem Rest des Marktes, der in Photovoltaik-Anlagen investiert hat und nicht weiß, ob er das was er bezahlt hat auch tatsächlich rausbekommt?

 

Die Frage ist schwierig. Während es Spaß macht sich an der positiven Entwicklungen unserer Branche zu erfreuen, haben wir wenig Lust uns mit einer Selbstanalyse zu beschäftigen. Das ist möglicherweise auch ein Grund, warum dieses Thema nicht kommuniziert wird. Zurück zu den verrückten Zeiten. Wenn man versucht zu verstehen was damals passiert ist, kommen einem mehrere Gedanken in den Sinn. Eine Erklärung könnte der Mangel an qualitativ hochwertigen Solarmodulen sein. Aber wenn wir etwas tiefer graben, ist die Antwort viel einfacher und unkomplizierter. Bereits als sich die Profitabilität der Projekte in schwindelnder Höhe befand, waren die Kosten für PV-Module nie niedrig genug. Damals war es so einfach die Excel-Rendite durch Anpassung der Preise nach unten besser und besser zu machen. Das war sehr verlockend und dabei wurden einige harte Fakten unter den Tisch fallen gelassen.

 

What you see is all there is und die Selbstüberschätzung
Wir können die Hypothese aufstellen, dass gutaussehende Produkte und vielversprechende Datenblattwerte die meisten Käufer dazu veranlassen, zu denken, dass alle Solarmodule gleich sind.

 

Daniel Kahneman, ein israelisch-US-amerikanischer Psychologe, beschäftigte sich Zeit seins Lebens mit dem Studium der Entscheidungsfindung. 2002 wurde er mit dem Nobel-Gedächtnispreis für Wissenschaften ausgezeichnet. Seine Erkenntnisse zur Verhaltensökonomie hat er in seinem Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“ zusammengefasst. Was können wir nun von ihm lernen, dass unsere eigene Situation in der PV-Branche erhellt.

Kahneman erklärt uns, dass wir es grundsätzlich mit zwei unterschiedlichen Denkweisen („ Systemen“) zu tun haben. System 1 erkennt aufgrund von abgespeichertem Wissen blitzschnell Muster. Es arbeitet automatisch, weitgehend mühelos und ohne willentliche Steuerung. System 2 gebrauchen wir dann, wenn wir unsere Aufmerksamkeit bewusst auf etwas lenken. Wenn wir systematisch vorgehen, etwas analysieren oder Kompliziertes berechnen.
Die Forschungen bewiesen, was der Philosoph Baruch Spinoza im 17. Jahrhundert bereits wusste: Wir mögen etwas nicht, weil wir denken es ist gut sondern wir mögen etwas, also denken wir es ist gut.

 

Kahneman prägte das Akronym WYSIATI – „What you see is all there is“ – um die Vorherrschaft von System 1 in der Entscheidungsfindung zu erklären und aufzuzeigen, dass wir oftmals Entscheidungen treffen, ohne über sämtlich Informationen zu verfügen.
Kahnemans Erkenntnisse laden uns dazu ein, einen Schritt zurück zu treten und darüber nachzudenken, wie wir selbst Entscheidungen treffen. Waren wir in der PV-Branche immer vernünftig? Wahrscheinlich nicht. Niemand ist perfekt! Aber sich dieser Muster bewusst zu werden macht uns schon besser.

 

Lektion gelernt – hüten Sie sich vor Gütern
Solarmodule werden als Güter betrachtet. Dieser Begriff ist in der Finanzbranche weit verbreitet. Investopedia definiert es als “a basic good used in commerce, that is interchangeable with other commodities of the same type”. Also was nun. Wenn die Kosten für Solarmodule so wichtig sind, liegt es daran, dass Sonnenkollektoren als austauschbare Güter betrachtet werden. Aber sind es wirklich nur Güter? Ist es nicht vielmehr eine vereinfachte Denkweise um uns eine komplexe Situation zu vereinfachen?

 

In der Tat sind komplexe Vorgänge und fundiertes Fachwissen bei der Herstellung von PV-Modulen von Nöten. Aber wenn man nur das Datenblatt in der Hand hat um sich über ein Produkt zu informieren, dann sind wir wieder beim „What You See Is all There Is.“ Aber der Preis alleine kann nicht die Kom¬ple¬xi¬tät eines Produktes wiedergeben.
Das italienische Umbaubeispiel zeigte, dass es sehr wohl große Unterschiede gibt. Aus diesem Grund brauchen wir mehr Initiativen wie das PVDI des Fraunhofer Instituts, um die Vorgänge im Solarmodul besser zu simulieren, zu bewerten und zu verstehen

 

Lassen Sie uns nicht vergessen, dass der größte Brocken der weltweiten PV-Kapazität installiert wurde, als sich die Industrie in der Konsolidierungsphase befand und unter dem Druck stand, die Modulpreise senken zu müssen mit allen möglichen negativen Konsequenzen, die wir uns in Bezug auf die Qualität vorstellen können. Wir müssen die Situation nicht schwarzer malen als sie ist, aber es ist ratsam sich den Umfang der Thematik bewusst zu machen, sie zu hinterfragen und Erfahrungen zu sammeln. Denn Wissen das ist der einzige Schutz vor What You See Is All There Is.

 

 

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